Dr. Antonie Sandels

Kinderärztin

Antonie Sandels (Mitte, stehend) mit Dieter (links) und Margarete Herberg (laußen inks, sitzend) bei deren Verwandten nahe Scheveningen (NL)
Antonie Sandels (Mitte) mit Dieter (links) und Margarete Herberg (links außen) bei deren Verwandten nahe Scheveningen Quelle: Privat

Antonie Sandels schloss Ihr Medizinstudium an der Universität Frankfurt am Main 1928 mit der Promotion ab. Der Titel Ihrer Arbeit lautete: „Weitere Untersuchungen über die Veränderung der neutrophilen Granula bei Infektionskrankheiten“. Ihre weitere Ausbildung erfolgte an der Universitäts-Kinderklinik bei Prof. Heinrich von Mettenheimer, der bis 1908 Hospitalarzt im Kinderhospital in der Forsthausstraße 20 (später Hans-Thoma-Str. 20) war (Wönne, S. 71).

1930 ließ sie sich als Kinderärztin nieder. Nach eigenen Angaben erhielt sie ihre Zulassung zu allen Kassen im Januar 1933 (GLA 480/1698).
Nach der Machtergreifung im gleichen Jahr wurde Toni Sandels die Behandlung von Kassenpatienten verboten. Seit dem 25.06.1938 durften jüdische Ärzte nur noch jüdische Patienten behandeln (vgl. Beykirch/S. 164ff). Zusammen mit ihrer Mutter Anna lebte Antonie Sandels um 1941 einige Zeit im Ghettohaus in der Gartenstraße 114. Nach dem Tod ihrer Mutter konnte Antonie Sandels Nazi-Deutschland nicht mehr verlassen. Ihre zwei älteren Schwestern und ihr Bruder konnten noch rechtzeitig auswandern. Bis zur Ihrer Flucht im September 1942 war sie als Kinderärztin tätig (JPflege).

Seit wann Antonie Sandels die jüdischen Kinder im Kinderhaus der Weiblichen Fürsoge behandelte, ist unbekannt. 1941 zwang sie die Gestapo, über den Gesundheitszustand bzw. die Transportfähigkeit von Leidensgenossen zu entscheiden, die vor der Deportation standen. Am 15. September 1942 wurden die Heimkinder aus der Hans-Thoma-Straße nach Theresienstadt deportiert. Danach übernahm Dr. Antonie Sandels für kurze Zeit die Leitung des Kinderhauses bis zur Hausübergabe an die NSDAP .

Am 22. September 1942 drohte ihr selbst die Deportation. Sie kam jedoch nicht zu der Großmarkthalle, der zentralen Sammelstelle vor den Frankfurter Judendeportationen, sondern tauchte unter. Ihr Leben rettete Margarete Herberg, deren Sohn [sc. Wolf-Dieter] Antonie Sandels 1931 behandelt hatte: Sie versteckte die Verfolgte in ihrer gegenüber dem Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge gelegenen Wohnung und auf dem Dachboden in der Gartenstraße 58 [i. e. 51!].

Margarete Herberg gab an (GLA 480/1698), Sandels habe zuletzt im Kinderhaus gelebt und dort eine Aktenmappe zurückgelassen mit dem Testament ihrer Mutter. Ihr sei angeordnet worden, sich am 22.09.1942 um 14.00 Uhr in der Großmarkthalle einzufinden. Da Sandels lt. Aussage von Ilse Kahanevon der mündlichen Mitteilung an nur 1 Std. Zeit zur Flucht hatte, die sie vom Kinderhaus aus antrat, ist nachvollziehbar, dass sie weder einen Umweg über ihre Wohnung machte noch ihre Unterlagen aus dem Büro mitnahm. Womöglich legte sie mit der Bemerkung an die anderen vier designierten Vertriebenen, „Vielleicht begehe ich Selbstmord“, eine Fährte, die von ihrem tatsächlichen Weg in die Wohnung der Freundin ablenken sollte. Die Flucht wurde begünstigt, weil die Beamten nicht bei den Mitarbeiterinnen blieben, wie es in dem seit August 1942 auszuhändigenden Formular vorgeschrieben war: „Es wird Ihnen hiermit eröffnet, daß Sie innerhalb von zwei Stunden ihre Wohnung zu verlassen haben. Die beauftragten Beamten sind gehalten, bis sie ihre Koffer gepackt und ihre Wohnung ordnungsgemäß hergerichtet haben, bei Ihnen zu bleiben und Sie alsdann zum Sammelplatz zu bringen.“ (Staatspolizeiliche Verfügung, Schnellbrief vom 21.08.1942, DFfJ, S. 527)

Retterin und Gerettete waren ständig gefährdet angesichts der besonderen Hartnäckigkeit der Frankfurter Gestapo, der Angst vor ihren Spitzeln und dem fein gesponnenen Kontrollnetz. Hellhörige und ängstliche Nachbarn waren ebenso gefährlich wie Denunzianten. Über ein Jahr lang teilte Margarete Herberg gewiss auch ihre Lebensmittelrationen mit Antonie Sandels.

Am 29. Januar 1944 zerstörte ein Luftangriff Margarete Herbergs Wohnung. Auch diese schwierige Situation bewältigen sie, indem sie als Bombengeschädigte nach Korb bei Osterburken/Baden [i. e. 74219 Möckmühl] auswichen. Dort überlebte Antonie Sandels die restliche NS-Zeit als Eva Imhof. (JPflege, nach Bonavita)

Nach dem Krieg ließ sich Dr. Antonie Sandels als Kinderärztin in Heidelberg nieder. 1975 zog sie nach Offenburg, wo der Sohn Wolf-Dieter ihrer Retterin Margarete Herberg wohnte und verstarb dort in 1977 im Alter von 77.

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